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Hochwasser ist nach den Katastrophen in Niederösterreich und zuletzt in Spanien ein großes Thema. Aber wie und warum kommt es überhaupt zu Hochwasser und welche Rolle spielt der Mensch dabei?
Ein weiterer Beitrag aus der Rubrik Naturbetrachtungen mit einem kritischen Blick darauf, wie wir unsere Böden und Flüsse missbrauchen und uns dabei selber schaden.
Mitte September kam es im Nordosten Österreichs zu einem schweren Hochwasserereignis. Anhaltender Starkregen brachte enorme Niederschlagsmengen. Es fiel so viel Regen innerhalb weniger Tage, wie sonst im Laufe von – je nach Region – ein bis vier Monaten.
Der Schwerpunkt lag eindeutig in Niederösterreich. Das Salzburger Land kam recht glimpflich davon. Abgesehen von ein paar kleinräumigen Überschwemmungen, war die Lage relativ entspannt. Viele Bilder vom Hochwasser kann ich deshalb nicht liefern und möchte es auch gar nicht. Das überlasse ich lieber den Blaulicht-Fotografen, deren Bilder wir aus den Medien kennen.



Vielmehr will ich heute einmal eruieren, welche Zutaten es braucht, damit Hochwasser überhaupt entsteht.
So entsteht Hochwasser
Normalerweise versickert Regen im Erdboden. Der Boden nimmt das Wasser auf wie ein Schwamm. Unterschiedliche Böden können unterschiedliche Mengen an Wasser aufnehmen. In der Regel gilt: Je höher der Humusgehalt eines Bodens, desto größer ist seine Aufnahmekapazität. Gesunder Waldboden kann deshalb am meisten Wasser speichern, weil dort der Humusanteil besonders hoch ist. Überschüssiges Wasser sickert durch den Boden hindurch, bis es auf eine wasserundurchlässige Schicht trifft, an der es sich als Grundwasser sammelt. Diese Sickerprozesse sind eher langsam. Man könnte es vergleichen mit der Zubereitung eines Filterkaffees. Gießt man oben zu viel Wasser auf einmal in den Filter, so schwappt es über.

Wenn der Boden die Regenmengen also nicht schnell genug aufnehmen und weitergeben kann, fließt das Wasser oberirdisch ab. Es bilden sich kleine Rinnsale, welche sich in Gräben und Bäche ergießen und diese stark anschwellen lassen können. In abflusslosen Senken sammelt sich Oberflächenwasser und es bilden sich große Lacken, in denen bald Enten nach Futter suchen. Nach ein paar Tagen verschwinden diese Pfützen meist wieder, weil (siehe oben) das Wasser nach und nach in das Grundwasser sickert.
Das allermeiste Oberflächenwasser fließt jedoch über die Bäche ab, die sich zu Flüssen vereinigen. Wenn die Wassermenge die Aufnahmefähigkeiten der Bäche und Flüsse übersteigt, treten diese über die Ufer. Hierbei ist ein Faktor sehr entscheidend: Wie hoch ist die Abflussgeschwindigkeit? Kann das Hochwasser wie auf einer Autobahn auf schnellstem Wege abfließen, oder gibt es viele Kurven und Hindernisse, sodass der Wasserschwall nur langsam voran kommt?
Je schneller das Wasser abfließen kann, desto katastrophaler sind die Auswirkungen entlang der großen Flüsse, weil die Wassermassen der gesamten Umgebung rasch an diese weitergegeben werden. Je langsamer der Abfluss, desto stärker sind zwar die Auswirkungen entlang der kleineren Fließgewässer, doch die schweren Hochwasser an den großen Flüssen bleiben eher aus, weil die Pegelstände nur langsam an diese weitergegeben werden.
Fassen wir also zusammen:
Neben der Regenmenge gibt es zwei Hauptfaktoren bei der Entstehung von Hochwasser:
- Die Speicherkapazität der Böden
- Die Abflussgeschwindigkeit des Oberflächenwassers
Die Rolle des Menschen
Der Mensch hat – gerade in Europa – die natürlichen Landschaften und Flusssysteme sehr stark verändert. Deshalb kommt ihm bei der Entstehung von Hochwasser eine bedeutende Rolle zu.
Entwaldung:
Wie weiter oben bereits erwähnt, kann gesunder Waldboden am meisten Regenwasser aufnehmen und speichern. Hinzu kommt, dass die Bäume mit ihren riesigen Oberflächen selbst einiges an Wasser puffern können. Jedoch sind nur noch 30% der Fläche Deutschlands von Wald bedeckt. In Österreich sind es zwar erstaunliche 48%, doch liegt dies wohl daran, dass Berghänge für Landwirtschaft und als Siedlungsraum meist ungeeignet sind. Im Flachland schaut es bei uns auch nicht besser aus.

Bodenverdichtung:
Auch gesunden Waldboden gibt es nur noch selten. Meist sind unsere Böden durch das Befahren mit schweren land- und forstwirtschaftlichen Geräten mehr oder weniger stark verdichtet.
Man kann sich das ungefähr so vorstellen: Ein Schwamm wird eine bestimmte Menge an Flüssigkeit aufnehmen, wenn man ihn unter Wasser taucht. Wenn man denselben Schwamm nun zusammendrückt, während man ihn taucht, so wird er deutlich weniger Flüssigkeit aufnehmen. Genau das passiert bei Bodenverdichtung. Der Bodenschwamm wird durch das Gewicht beim Befahren mit schweren Maschinen, sowie durch die damit einhergehenden Vibrationen zusammengedrückt.
Anders als beim Haushaltsschwamm, dehnt sich der Bodenschwamm jedoch nicht mehr aus, wenn der Druck von oben wieder wegfällt. Bodenverdichtung ist in der Regel irreversibel. Die Aufnahmekapazität des Bodens ist deshalb vielerorts deutlich reduziert. Damit fällt eine der wichtigsten Stellschrauben bei der Hochwasservermeidung bereits weg.

Bodenerosion:
Was wenn der Bodenschwamm überhaupt fehlt? Dann gibt es auch keine Pufferung mehr für das Regenwasser. Bäche und Flüsse können innerhalb sehr kurzer Zeit zu reißenden Strömen anschwellen. Dies hat oft besonders katostrophale Folgen, weil die Vorwarnzeiten so kurz sind. So kam es im November 2024 in der spanischen Region Valencia zu einem noch viel verheerenderen Hochwasser, als jenes im September zuvor in Österreich, mit hunderten Todesopfern.
Es gibt unterschiedliche Gründe, warum gesunder Boden verloren geht. Fast immer sind sie menschengemacht.
So war Spanien einst von riesigen Steineichenwäldern bedeckt. Eine Erzählung besagt, dass ein iberisches Eichhörnchen von den Pyrenäen bis nach Gibraltar hüpfen konnte, ohne dass es dabei auch nur einmal den Boden berühren musste. Für die Unterwerfung Südamerikas und zur Aufrechterhaltung seiner Seemacht, benötigte das Königreich eine riesige Armada an Schiffen. Der Steineichenwald musste also daran glauben. Zurück blieb kahles Land. Wind und Regen trugen den einstigen Waldboden hinfort.

Jahrhunderte später ist Spanien der Gemüsegarten Europas. Intensive Landwirtschaft benötigt viel Wasser und dies in einer Region, in der von Juni bis September oft kein Tropfen Regen fällt. Der Grundwasserspiegel sinkt deshalb bereits seit Jahrzehnten. Das Land und der Boden werden immer trockener und versteppen. Der Wind tut das übrige und weht den ausgetrockneten Boden mit sich fort.
Szenenwechsel: Auch in Niederösterreich hat sich noch nicht überall herumgesprochen, dass es keine gute Idee ist, wenn man Äcker nach der Ernte nackt – also ohne Bewuchs – hinterlässt, weil ansonsten Wind und Regen den Boden abtragen. Nur Vegetation, zum Beispiel in Form einer Gründüngung, kann dies verhindern, da die Wurzeln die Erde festhalten. Dennoch sind nackte Felder zwischen der Ernte im Juli/August und dem Keimen der neuen Saat im April nach wie vor an der Tagesordnung.

Gut, ich denke, du hast nun eine Vorstellung bekommen, welche Bedeutung gesunder und mit Pflanzen bewachsener Boden hat.
Bodenversiegelung:
Asphalt, Beton und Dachflächen können natürlich überhaupt kein Wasser speichern. Sieben Prozent der Fläche von Österreich ist versiegelt, Tendenz nach wie vor stark steigend. Für Deutschland sind die Zahlen ähnlich. Diese Flächen geben das Regenwasser eins zu eins in die Fließgewässer ab.

Dennoch spielt Bodenversiegelung als Ursache von Überschwemmungen eine eher untergeordnete Rolle, zumal Hochwasser meist dort seinen Ausgang nimmt, wo die Erde nur wenig versiegelt ist, nämlich an Berghängen und im Einzugsbereich der kleineren Fließgewässer.
Flussregulierungen:
In Mitteleuropa gibt es fast keine größeren Flüsse mehr, deren Ufer nicht mit Beton oder Blocksteinen eingefasst wären, mit dem Ziel, den Flussverlauf für alle Ewigkeit festzulegen. Selbst kleinere Bäche werden all zu oft in ein steinernes Korsett gezwängt. In diesen Kanälen werden Fließgeschwindigkeiten erreicht, bei denen auch der wildeste Gebirgsbach kaum mithalten kann.

Damit haben wir die Flüsse ihres natürlichen Retentionsraumes beraubt. Viele Fließgewässer wurden auf diese Weise erst richtig gefährlich gemacht. Ein naturbelassener Bach oder Fluss wird bei Hochwasser an vielen Stellen gleichzeitig über die Ufer treten. Diese Stellen sind jedoch vorhersehbar und somit vorausplanbar. Niemand müsste dabei zu Schaden kommen. Dadurch verlangsamt sich aber die Fließgeschwindigkeit und die Wassermassen werden gepuffert. Auf diese Weise bekommen zwar viele ein bisschen Hochwasser ab, dafür sinkt aber das Risiko für Katastrophen mit Todesopfern, Evakuierungen und horrenden Schäden deutlich.
Doch schön langsam kehrt ein gewisses Umdenken ein. Neuer Hochwasserschutz ist vielerorts deshalb nicht mehr länger (nur) der Bau immer höherer Dämme, sondern vielmehr ein Einreißen derselben, nämlich dort, wo sich kein Schaden daraus ergibt, um wieder Retentionsraum zu schaffen.

Allerdings gilt es eine Sache zu bedenken: Nur weil ein paar Kurven in den Flusslauf eingebaut, Bäume gepflanzt und Schotterbänke aufgeschüttet werden, ist aus Sicht des Hochwasserschutzes noch nichts gewonnen. Es sieht zwar gleich viel schöner aus und schafft wertvolle Ökosysteme, aber Retentionsraum ist damit noch keiner geschaffen, solange das Ganze innerhalb der bestehenden Kanalisierungen stattfindet. Ein Fluss muss sich ausbreiten können. Je mehr Platz ihm gewährt wird, desto geringer die Gefahr, die von ihm ausgeht. Irgendwie logisch, oder? Die Frage die sich stellt, ist natürlich, ob es in unseren Landschaften überhaupt noch genügend Platz für Retentionsräume gibt. Dies führt uns direkt zum letzten Punkt der Auflistung.
Besiedelung hochwassergefährdeter Gebiete:
Wir Erdenbewohner werden immer mehr und beanspruchen deshalb auch immer mehr Lebensraum. Seit Anbeginn der Zeit siedeln Menschen im Bereich von Flüssen. Oft waren sie die Lebensadern, welche die Besiedelung einer ansonsten lebensfeindlichen Umwelt erst möglich gemacht haben. Man denke da nur an den Nil in Ägypten, oder auch an Mesopotamien. Die Flüsse lieferten das lebensnotwendige Trinkwasser und erlaubten Ackerbau. Immer wiederkehrende Überschwemmungen machten den Boden fruchtbar. Der Mensch hat also gelernt, mit den Flüssen und den von ihnen ausgehenden Gefahren zu leben.
Heute verlassen wir uns auf unsere technischen Errungenschaften und vertrauen ihnen so sehr, dass wir unsere Häuser und Städte wie selbstverständlich dort errichten, wo sich vor nicht allzu langer Zeit noch Flüsse ihren Weg gesucht haben. So sollen etwa in Österreich 840.000 Menschen in hochwassergefährdeten Gebieten leben. Das entspricht fast zehn Prozent aller Einwohner des Landes. Was also geschieht, wenn die technischen Schutzeinrichtungen überfordert sind oder gar versagen, werden wir auch in Zukunft immer wieder in den Nachrichten mitverfolgen können.

Fazit:
Hochwasser wird es auch in einer intakten Natur immer wieder geben. Manchmal kann es extreme Ausmaße annehmen. Doch ließe sich die Schwere der Auswirkungen deutlich abmildern, wenn wir der Natur ihren Raum zugestehen würden.
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