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Gedanken zum November. Die November Tristesse ist 2024 in weiten Teilen Mitteleuropas von sehr langer Dauer. Unter der bleiernen Nebeldecke können wir eine Sache jedoch besonders gut erkennen: Die Natur zieht sich zurück und zeigt uns damit an, dass es auch Zeit ist für unsere eigene Innenschau. Doch was können wir dort finden?
Ein naturphilosophischer Beitrag aus der Reihe Naturbetrachtungen.
Trüb und grau zeigt sich der Himmel. Die Tage werden immer kürzer, die Stimmung wird immer gedämpfter. Dunkelflaute heißt das neue Trendwort. Es ist November. Der Sommer – obgleich nur zwei Monate her – gedanklich schon in weite Ferne gerückt, die Erinnerungen daran bereits verblasst. Es herrscht der Ernst des Lebens. Es ist eine Zwischenzeit, also die Zeit zwischen den Zeiten. Und die Zeit scheint still zu stehen. Jeden Tag das selbe Bild, das selbe Wetter, das selbe Grau, wie in einer Endlosschleife. Samhain nannten es die Kelten, Allerheiligen nennen wir es heute. Kein Wunder, dass wir in dieser Zeit der Verstorbenen gedenken. Es ist die Zeit des Rückzugs. Die Natur zieht sich zurück unter die Erde und konfrontiert uns unweigerlich mit dem Tod.

Es ist die Zeit der Innenschau. So wie sich die Natur zurückzieht in ihren innersten Kern, die Wurzeln und die Samen, können auch wir uns auf unser Innerstes besinnen. Wer bin ich ohne die Welt da draußen? Warum bin ich, was ist der Zweck meines Daseins? Einfache Fragen, oft gestellt, doch wer weiß darauf wirklich eine Antwort? Zu schrill und laut ist unsere Welt, als dass wir über diesen Fragen tatsächlich zur Ruhe kommen könnten. Unser innerer Denker ist angesichts der überwältigenden Flut an Informationen und Eindrücken, die unaufhörlich auf uns niederprasseln, pausenlos damit beschäftigt, diese einzuordnen und in Schubladen zu stecken. Doch wer ist dieser Denker?


Der innere Denker ist nicht du! Das Denken wurde uns gegeben von der Evolution / von Gott / vom Schöpfer / vom Universum (je nachdem welche Version für dich am stimmigsten ist) um damit komplexe Herausforderungen, die das Leben mit sich bringt, besser meistern zu können. Das Denken ist also ein Werkzeug. Wir sollten es auch als solches verwenden. Der Verstand ist unser Diener, wir aber haben ihn zum König erhoben, der über uns herrscht. Cogito ergo sum – Ich denke also bin ich, wusste schon Descartes im 17. Jahrhundert. Nicht umsonst gilt er als einer der Gründungsväter der modernen Wissenschaft. Das Denken wurde zum Selbstzweck. Und so verlieren wir uns im wahrsten Sinne des Wortes für immer in die Welt unserer Gedanken und scheinen der Frage, wer ich bin, dabei doch keinen Schritt näher zu kommen.

Wenn du also wissen willst, wer du wirklich bist und was der Zweck deines Daseins ist, gibt es nur einen Weg, um dies heraus zu finden. Du musst deinen Verstand töten! Um mit unserem innersten Selbst Kontakt aufnehmen zu können, müssen wir also in einen Zustand des Nicht-Denkens gelangen. Nur wenn unser innerer Denker still ist, haben wir die Möglichkeit mit unseren hinter dem Verstand befindlichen tieferen Schichten, landläufig als Seele bezeichnet, in Kontakt zu kommen.

Jetzt, wo du das weißt, steht dir ja nichts mehr im Wege, um mit deiner Seele in Kontakt zu treten, oder? Nun ja, aber wie bitte bringe ich den Verstand zum Schweigen? Da wird es schon etwas kniffliger. Es gibt natürlich Techniken, die dir dabei helfen können. Eine davon ist sogar sehr bekannt. Es ist die Meditation. Noch wirkmächtiger – aber auch schwieriger – ist das buddhistische Dhyana. Dabei fokussierst du deine gesamte Konzentration auf einen kleinen physischen Punkt, bis alles andere außer dieser Punkt aus deiner Wahrnehmung und deinen Gedanken verschwindet. Eine unglaublich schwierige Übung, die man anfangs – falls überhaupt – nur wenige Minuten durchhalten kann. Buddhistische Mönche nehmen diese Meditationshaltung oft tagelang ohne Unterbrechung ein.

Nun, wahrscheinlich willst du nicht unbedingt ein buddhistischer Mönch werden, der sich aus der Welt zurückzieht um den Kontakt mit seiner Seele zu suchen. Vielleicht genügt es auch schon, den Verstand nur hin und wieder etwas in die Schranken zu verweisen, den Kopf zu leeren, wie man so schön sagt, um unserem Selbst ein kleines Stück näher zu kommen. Dafür ist die Natur der perfekte Ort. Allerdings muss man sich dabei auch auf die Natur einlassen. Denn der Denker wird auch dort sich zunächst zu Wort melden und sei es nur, indem er dir ständig sagt, wie schön die Natur nicht sei. Ja, das ist sie, aber jetzt bitte Ruhe!
Der richtige Ort dafür ist der Wald. Waldbaden macht den Kopf frei. Warum das so ist und wie es geht, habe ich vor einiger Zeit schon einmal in einem Beitrag etwas erläutert.

Letztendlich gibt es viele Methoden um den Weg zu dir selbst zu finden, manche sind einfacher und dauern dafür länger, andere sind direkter, aber für die meisten nicht praktikabel, wie jener der buddhistischen Mönche. Eines ist jedoch unausweichlich: Gehen musst du den Weg selbst. Und es ist auf jeden Fall ein sehr weiter Weg. Wahrscheinlich wirst du auch nie ankommen, zumindest nicht in diesem Leben. Denn wer angekommen ist, gilt als erleuchtet. Dennoch lohnt es sich diesen Weg zu gehen, denn gerade auf der Reise zu dir selbst gilt: Du kommst als jemand anderes zurück, als du davor warst. Und der Antwort auf die Fragen, wer du wirklich bist und warum du hier bist, wirst du dich dabei ganz allmählich annähern.

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